Das Projekt
Das Modellprojekt Demenz Dinge beschäftigte sich über einen Zeitraum von vier Jahren mit dem Lebensalltag von Familien, die eine Person mit Demenz betreuen. Aus der Zusammenarbeit mit den Familien sind DemenzDinge entstanden, die als Grundlage für die Entwicklung des Schulungskonzeptes dienten.
Unser interdisziplinäres Forschungsteam bestand aus Gestalterinnen, Demenzexpertinnen und zwei Soziologen, welche das Projekt wissenschaftlich begleiteten.
Jeweils eine Gestalterin und eine Demenzexpertin bildeten ein interdisziplinäres Kompetenzteam und arbeiteten mit Menschen mit Demenz und deren pflegenden Angehörigen im häuslichen Kontext gemeinsam an der Entwicklung von individuellen Alltagshilfen, den sogenannten DemenzDingen.
Podcast
Hören Sie hier die spannende Podcastfolge über das Projekt.
Hintergründe & Motivation
Wer einen Menschen mit Demenz pflegt, hat sich sicherlich schon einmal gefragt, ob es für herausfordernde Alltagssituationen nicht ein passendes Hilfsmittel gibt. Die Zugänge zu den betroffenen Personen sind oft so individuell, dass es schwierig sein kann, effektive Hilfsmittel für die eigene Situation auf dem Markt zu finden. Ein tragendes Konzept zur Gestaltung von individuellen Alltagshelfern existiert nicht. Vor diesem Hintergrund konzipierten die Theresia Albers Stiftung mit dem Marienheim in Essen-Überruhr und die Folkwang Universität der Künste im Jahr 2017 das Modellprojekt Demenz Dinge.
Die Ausrichtung des Modellprojektes nahm hierbei das häusliche Pflegesetting in den Fokus: Die meisten Personen mit Demenz möchten natürlich so lange es geht im eigenen zuhause leben, auch der Großteil der Angehörigen wünscht sich das.
Zudem ist es auch politisch gewollt, dass ein Löwenanteil der Pflege von Demenzerkrankten im privaten Kontext aufgefangen wird, denn leider gibt es nicht annähernd genügend stationäre Angebote – ein Missstand, der natürlich dringend aufgearbeitet werden muss.
Das Projekt Demenz Dinge versucht derweil, vermittels der Schulungsmedien „bottom up“, also am Bürger und an der Bürgerin, anzusetzen. Unser Ziel ist, das Leben zuhause mit Demenz durch selbstwirksames und lösungsorientiertes Handeln für alle Beteiligten ein wenig reibungsloser und sehr viel freudvoller zu gestalten – auch wenn unser Beitrag nur ein kleines Puzzleteil darstellt.
Was kann Gestaltung beitragen?
Bei Gestaltung – oder auch Design – denken viele wahrscheinlich zunächst an Konsumgüter, oder Werbeagenturen oder einfach an „Sachen hübsch“ machen. Dabei ist das nur ein Teil des Spektrums – Design kann mehr.
Gestaltung befähigt uns, aktiv auf unsere Umwelt Einfluss zu nehmen. Designer*innen haben die Fähigkeit, Zusammenhänge zu erkennen und sie sichtbar und damit nachvollziehbar zu machen. Gestaltung kann durch kreative und transformative Lösungsansätze die Zukunft nachhaltig verändern.
Zur Bearbeitung komplexer gesellschaftlicher Fragestellungen und Themen – wie z.B. Pflege demenziell erkrankter Personen im häuslichen Kontext – eignet sich die Methode des partizipativen Gestaltens.
Partizipative Gestaltung bedeutet, dass Lösungen (oder Produkte oder Services) gemeinsam mit den zukünftigen Nutzer*innen in einem kreativen Prozess entwickelt werden. Dabei ist der Prozess zunächst ergebnisoffen, die konkrete Fragestellung wird mit den beteiligten Akteuren, den Co-Designer*innen, gemeinsam erarbeitet. Die Aufgabe der Gestalter*innen ist es, das immanente Wissen der Co-Desiger*innen – als Expert*innen ihrer eigenen Lebenswelt – sichtbar zu machen. Dabei werden individuelle Methoden herangezogen oder gar neue erarbeitet.
Und genau diese, auf die Zielgruppe, nämlich den Menschen mit Demenz, angepassten Methoden wurden im Modellprojekt Demenz Dinge erarbeitet und evaluiert, um sie durch das Schulungskonzept möglichst vielen Menschen nahe zu bringen.
Interdisziplinäres Kompetenzteam
Für komplexe, multidimensionale gesellschaftliche und ökologische Fragestellungen braucht es ebenso multiprofessionell aufgestellte Teams, die sich der Bearbeitung widmen.
Interdisziplinäre Teams bringen verschiedene Sichtweisen, Erfahrungen, Mindsets und Methoden mit. So können vielschichtige Herausforderungen durch viele „Brillen“ betrachtet und bearbeitet werden.
Das interdisziplinäre Forschungsteam des Projektes Demenz Dinge bestand aus Gestalterinnen (Kommunikationsdesign, Industrial Design, Social Design), Demenzexpertinnen (Altenpflege, Soziale Arbeit, Gerontologie) und zwei Soziologen, welche das Projekt wissenschaftlich begleiteten.
Jeweils eine Gestalterin und eine Demenzexpertin besuchten eine Familie und bildeten dort zusammen mit dem*der pflegenden Angehörigen und dem Menschen mit Demenz ein Kompetenzteam.
Jede Profession brachte ihre Expertisen ein und legte im Prozess verschiedene Schwerpunkte oder nahm andere Dinge wahr. Die Demenzexpertinnen hatten oftmals ein Auge für Stimmungen unter den Familienangehörigen. Die Gestalterinnen registrierten Artefakte und Gebrauchsgegenstände im Umfeld und klopften diese auf Wissenswertes ab.
Beide Sichtweisen wurden mit Methoden der Sozialforschung, genauer der qualitativen Inhaltsanalyse, zusammengebracht und ausgewertet.
Ablauf & Rahmen
Das Modellprojekt gliederte sich in 2 Phasen.
In der ersten Phase ging es um das Eintauchen in den Lebensalltag von Familien, die eine Person mit Demenz zu Hause betreuen oder pflegen. Hier wurden gemeinsam mit dem interdisziplinären Team die Alltagsprobleme definiert oder verborgenen Bedürfnisse, Wünschen und versteckten Potenzialen nachgespürt. Passend zu den Erkenntnissen wurden über partizipativ-gestalterische Methoden und iterative (sich wiederholende) Testreihen die DemenzDinge entwickelt. Diese Prozesse wurden dokumentiert und protokolliert.
In der zweiten Projekthälfte wurden die dokumentierten Prozesse analysiert. Diese Auswertungen bildeten die Basis für die Transformation der Erkenntnisse in das Schulungskonzept.
Ergebnisse
Die Ergebnisse aus dem Modellprojekt sind zum einen die gestalteten DemenzDinge, die den Alltag unserer Co-Designer*innen erleichtern. Auch wenn diese DemenzDinge auf eine spezifische Situation und Person zugeschnitten sind, so sind fast alle gleichermaßen für weitere Menschen nutzbar und dienlich, da sie elementare Bedürfnisse z.B. nach Sicherheit oder freudvoller Beschäftigung befriedigen.
Zum anderen entstand das Schulungskonzept, das pflegende und betreuende Menschen anleitet, Alltagssituationen neu zu betrachten und die Ressourcen, Interessen und Wünsche der Person mit Demenz besser zu erkennen und zu verstehen.